Leserbrief von Ludwig Hoppe zum Abriss der Dinscheder Kabenschule:

Geschichtsträchtiger Ort

Schulareal Dinschede. Der Artikel „Alte Knabenschule abreißen“ offenbart mit dieser Forderung den Verlust jeglichen Geschichtsbewusstseins bei den Initiatoren. Für die Ruhrdörfer ist dies ein geschichtsträchtiger Ort. An dieser Stelle begann vor 250 Jahren in einem kleinen Fachwerkhaus die Alphabetisierung der Jugend der drei Ruhrdörfer. In dieser Tradition wurde vor 140 Jahren auf selbem Grund die Alte Knabenschule errichtet und diente, bei kurzzeitiger Unterbrechung, bis ins 21. Jahrhundert schulischen Zwecken.

„Bautechnisch in einem schlechten Zustand mit baulichen Mängeln“ heißt es. Sicherlich muss ein Gebäude dieses Alters saniert werden, um u.a. heutigen energetischen Vorgaben und Sicherheitsstandards zu entsprechen. Möglicherweise ist ein Abriss kostengünstiger, aber das bedeutet ein weiteres mal einen erheblichen Verlust von Geschichte. Davon gibt es in Oeventrop genügend Beispiele. Immer wird mit der Kosten-Nutzen-Rechnung argumentiert. Wie aber sähen unsere Altstädte, unsere Dörfer aus, wenn nur nach diesem Prinzip vorgegangen würde.

Wenn ein Feuchtbiotop, eine seltene Pflanze, ein Tier der Roten Liste durch Baumaßnahmen gefährdet sind, finden sich (Gott sei dank) streitbare Lobbyisten. Gebäude haben allzu oft keine Lobby und verschwinden in wenigen Stunden im Staub von Abrissbirne und Baggerschaufel.

Dass es auch anders sein kann, zeigt die Restaurierung des Bahnhofsgebäudes. Heute ein baulicher Glanzpunkt und ein Dokument dörflicher Entwicklung. Beim Kauf durch einen Privatmann war das Gebäude im weitaus schlechteren Zustand als die Knabenschule.

Neben den baulichen Mängeln wird der Abriss mit der „Schaffung einer Sichtachse auf die neue Ortsmitte hin“ begründet. Dies halte ich für wenig überzeugend. Von den künftigen Schulgebäuden aus gesehen wird die Sicht vor allem an der viel befahrenen Dinscheder Straße enden. Bei dem tiefer liegenden renaturierten Ruhrbogen handelt es sich lediglich um ein Stück wiederhergestellter Natur, wie wir es von Postkarten aus den 1900er Jahren kennen. Mit den Sitzbänken, dem Fledermausturm und der (geplanten) neuen Brücke ist dies nach Fertigstellung sicherlich ein positiver Freizeitgewinn und ein geeigneter außerschulischer Lernort. Ein weiteres Argument wird mit der „fehlenden Gebäudegröße“ geliefert. Zu klein für die vielen angemeldeten und erahnten Bedarfe. Diese Bedarfe sollten erst einmal mit realistischen Zahlen belegt werden, denn viele der Oeventroper Vereine haben bereits ihre Räume. Die Mitnutzung schulischer Räume durch Musikvereine für Übungszwecke hat in der Vergangenheit problemlos funktioniert, wie ich es in meiner Zeit als Schulleiter erfahren habe. Ebenso haben die Kirchengemeinden („Kinderbibelwoche“), der SGV (Seniorennachmittag), eine Tanzgruppe, etc. für wenige Male im Jahr schulische Räume nutzen können. Die Befürchtung, dass die Knabenschule den Bedarf bei Weitem nicht abdeckt, ist also bei näherer Betrachtung nicht haltbar.

Eine renovierte Knabenschule bietet aus meine Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten genügend Räumlichkeiten als Bürgerzentrum und sollte darum erhalten werden. Besonders provokant wäre es, wenn ein Abriss nur der Beschaffung von Parkraum dienen würde. Der Verlust von heimatlicher Identität beginnt mit dem Abriss eines solchen geschichtsträchtigen Gebäudes. Auch der Arbeitskreis Ortsgeschichte sieht in dem Erhalt ein „Vermächtnis“ in dem das „geschichtliche Gedächtnis“ der drei Ruhrdörfer dokumentiert werden sollte. Entsprechende Nutzungsvorschläge in einem Teilbereich des Gebäudes sind bereits bei der Planungskommission eingereicht worden.

Ludwig Hoppe, Oeventrop

Der von der örtlichen CDU vorgeschlagene Abriss der alten Oeventroper Knabenschule erweckt Widerstand. Foto: Wolfgang Becker

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