Die jüdischen Familien in Oeventrop im Dritten Reich

von Dr. Siegfried Kessemeier

JUDISCHE FAMILIEN IN OEVENTROP

EINE ERSTE ÜBERSICHT

Arnsberg 2002

Dieser Text ist aus der Broschüre, die zur Einweihung des Denkmals auf der Kirchstraße herausgegeben wurde.

Das Original liegt mir leider nicht vor!

DIE VERLORENEN NACHBARN

Juden kamen nach Oeventrop seit den 1870er Jahren, als sich der Ort nach dem Eisenbahnbau und im Zuge wirtschaftlichen Aufschwungs der Gründerzeit fortentwickelte. Sie wohnten auf der Kirchstraße, der neuen Ortsmitte, wo sie bis etwa 1910 fünf Häuser bauten. Zwei davon sind in alter Form erhalten: Haus Ransenberg, Kirchstr. 12 und Haus Rosenthal, Kirchstr. 37. Das Haus des Metzgers Berthold Jakob, Kirchstr. 49 (heute Kolpinghaus), wurde gänzlich umgebaut. Haus Meyer Jakob, Kirchstr. 53 und Haus Simon, Kirchstr. 41, wurden abgerissen und durch Neubauten ersetzt.

Ansässig waren zunächst vier Familien, die sich in den beiden nächsten Generationen vergrößerten:

RANSENBERG aus Freienohl, Vieh und Pferdehandel;

ROSENTHAL aus Langschede, Geschäft für Lebensmittel und Haushaltswaren, später Textilien;

SIMON, nach Angabe von Zeitgenossen aus Luxemburg, Textilgeschäft;

JAKOB aus Freienohl, Vorvater aus Calle, Metzgerei und Viehhandel.

Die Begründer der Oeventroper Familien waren: Jacob Ransenberg (1846-1897); Daniel Jakob (geb. 1853), nach ihm der Familien-Beiname “Dängels”; Louis Rosenthal (1858-1915); Edmund Simon (1874-1925). Aus diesen Familien gingen zusammen 25 Kinder hervor, in Oeventrop geboren, hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Teils sind sie geblieben, teils fortgezogen wegen Heirat oder aus beruflichen Gründen.

Die dritte Generation wurde noch vor der NS-Zeit, in den Jahren 1912-1926 geboren: Erich Jakob 1912, Walter Jakob 1919, Margot Jakob 1922, Heinz Rosenthal 1926. Die Verfolgung traf diese damals jungen Menschen besonders hart. Margot Jakob wurde 1935 nicht mehr in das Arnsberger Lyzeum aufgenommen; Erich Jakob war frisch verheiratet, als der Pogrom hereinbrach; Heinz Rosenthal konnte im Juni 1941 nur noch knapp in die USA entkommen.

Die jüdischen Oeventroper waren vor 1933 angesehene Mitbürger und Nachbarn und mit dem Dorf verbunden. Ihre Integration hatte sich in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik positiv entwickelt. Louis Rosenthal z.B. war schon vor dem 1. Weltkrieg einmal Vorsitzen der des Turnvereins “Germania”. Einer der Ransenberg-Söhne, Albert (geb.1885), war im 1. Weltkrieg Vizefeldwebel und genoß entsprechende Achtung. Die Familie Jakob hatte mit ihren drei Oeventroper Zweigen (Meyer, Berthold, Joseph) besondere Bedeutung und war die wohlhabendste.

In Oeventrop lebten 1933-1942 dauernd oder zeitweilig insgesamt 29 jüdische Menschen, außerhalb insgesamt 9 in Oeventrop geborene, die eigene Familien gegründet hatten, sowohl in der näheren Umgebung (Wennemen, Meschede) und in Westfalen (Erwitte, Recklinghausen), als auch weiter entfernt (Berlin, Arnheim NL).

Die zunehmende Ausgrenzung und Diffamierumg seit Beginn der NS-Herrschaft 1933 veranlaßte Angehörige aller Familien, insgesamt 21 Menschen, zur Auswanderung nach England, Südafrika, Nord- und Südamerika sowie Palästina: 3 aus der Familie Ransenberg, 4 aus der Familie Rosenthal, 2 aus der Familie Simon, 12 aus der Familie Jakob. 12 Menschen wurden 1942/43 deportiert und Opfer des Holocaust.

Besonders schwer waren die Familien Rosenthal und Simon betroffen. Bei 6 Opfern wird als Zielort der Deportation Auschwitz genannt, bei 2 Theresienstadt, bei 1 Zamosc, bei 3 nur “Osten”. Mit jedem Namen ist ein individuelles Schicksal verbunden. Die aus Erwitte und Recklinghausen deportierten Simon-Töchter kamen mit ihren Familien um: Helene mit ihrem Mann und ihren Söhnen Horst (10 Jahre) und Werner (7 Jahre), Rosa mit ihrem Mann und ihrem Sohn Günther (14 Jahre). Auch zwei der vor der Deportation Gestorbenen fanden ein tragisches Ende: Henni Simon brachte sich 1934 als 24-jährige ums Leben; Mathilde Ransenberg, geb. Jakob, in Wennemen verheiratet, starb 1942 durch Herztod nach der Ermordung ihres Sohnes Günter (15 Jahre) im KZ Wewelsburg.

Aus Oeventrop gibt es bemerkenswerte Zeugnisse einer Ablehnung und kritischen Beurteilung der Judenverfolgung, z.B. von dem katholischen Pfarrer Josef Lösse (1869-1941). In der Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Hl.Familie ist das dokumentiert: In den Jahren 1935-37 wurde Lösse u.a. wegen der Äußerung angezeigt, “daß die Juden auch Menschen seien”. 1938 schilderte er mit deutlicher Ablehnung das Pogrom-Ereignis in Oeventrop und schloß mit dem damals lebensgefährlichen Satz: “Es ist, wie ein einfacher Arbeiter sagte: Es ist der Abschaum der Menschheit, der Deutschland regiert.”

Die Pogrom-Ereignisse im November 1938 fanden in zwei Schüben statt: In der Nacht vom 9. zum 10. November Demolierung der jüdischen Geschäfte; die Hauptaktion am Nachmittag des 10. November in voller Öffentlichkeit mit Zerstörungen und Übergriffen in den jüdischen Wohnhäusern an der Kirchstraße. In der Dorfmeinung galt dies als eine Schande und wurde lange verdrängt, zumal ja Einheimische wesentlich daran beteiligt waren. Die Deportation der wenigen noch gebliebenen Oeventroper Juden ging im Kriegsjahr 1942/43 eher still vor sich und wurde, außer von den unmittelbaren Nachbarn, kaum wahrgenommen. Obwohl nach dem Kriege klar wurde, was mit ihnen geschehen war, blieben sie vom Totengedenken ausgeschlossen.

Abgesehen von einem Prozeß vor dem Arnsberger Schwurgericht im Frühjahr 1950, in dem 5 Haupttäter des Pogroms von 1938 zur Rechenschaft gezogen wurden, ist das Thema Oeventroper Juden bis in die 1970-er Jahre nicht öffentlich zur Sprache gebracht worden. Erst dann wurde in einigen Publikationen wenigstens ansatzweise wieder an ihr Schicksal erinnert (so von Carl Kessemeier in seinem Buch “Die Ruhrdörfer” 1982). Michael Gosmann ging 1991 in seiner Dokumentation “Juden in Arnsberg” erstmals näher auf die Geschichte der Familien Ransenberg, Rosenthal und Jakob ein. Auch Rudolf Brüschkes Dokumentation “Jüdisches Leben im Hochsauerland” von 1994 trug weiteres zur Kenntnis bei. Dennoch blieben noch viele Informationslücken und Unstimmigkeiten. Bis vor zwei Jahren gab es nur vage, teils irrige Vorstellungen und Vermutungen über die Zahl der Holocaust-Opfer und der Ausgewanderten. Jetzt endlich kennt man die exakten Daten. Sie sind auf der Gedenktafel verzeichnet, unübersehbar für jeden Bürger. Oeventrop verschließt vor einem dunklen Kapitel seiner Geschichte und den verlorenen Nachbarn nicht mehr die Augen.

JÜDISCHE FAMILIEN iN OEVENTROP 1875-1942

1. Familie Ransenberg, Kirchstr. 46 (heute Kirchstr. 12). Seit etwa 1875 ansässig. Jacob Ransenberg (30.4.1846-24.6.1897), verheiratet mit Dorothea Freibaum (26.8.1841-4.3.1922). Sechs Kinder: Rosalie (geb. 15.8.1872), Max (geb. 25.1.1875). Johanna (geb. 10.12.1877), Berta (geb. 12.10.1879), Mathilde (geb. 21.1.1882), Albert (geb. 1885). Max wurde in Meschede Pferdehändler, Albert Viehhändler. Beide hatten dort eigene Häuser. Sie wanderten mit ihren Familien 1938/39 aus: Max in die USA (gest. 8.5.1948 New York), Albert nach Argentinien (gest. 8. l.1959 Buenos Aires). Rosalie soll ebenfalls zu ihrer Tochter Erna in die USA ausgewandert sein. Johanna starb Mitte 1939, Beerdigung am 6.7.1939 auf dem jüdischen Friedhof in Arnsberg (Brüschke, S.355). Zuletzt lebten im Hause noch Berta und Mathilde Ransenberg. Sie wurden “nach Osten” deportiert und ermordet.

2. Familie Louis Rosenthal, Kirchstr. 53 (heute KirchsTr. 37). Seit etwa 1885 ansässig. Erst Lebensmittel- und Haushaltswaren-Geschäft, später Textilgeschäft. Louis Rosenthal (27.2.1858 Schwerte – 4.4.1915 Oeventrop), verheiratet mit Emma Ransenberg (14.4.1858 Wennemen – 23.1.1943 Theresienstadt). Sieben Kinder: Klara (geb. 18.6.1893), Georg (geb. 31.10.1894), Rosalie-Emma (Emmi, geb. 21.10.1896), Hedwig (geb. 7.6.1898), Bernhardine (Dinchen, geb. 26.1. 1900), Elisabeth (Elly, geb. 26.7.1901 ), Wilhelm (Willi, geb. 11.12.1902). Davon überlebten nur die 1938/39 nach England ausgewanderten: Hedwig (Juli 1991 noch in London lebend), Bernhardine (gest. 10.2.1984 London) und Wilhelin (gest. 23.3.1990 Montreal). Deportiert und in Auschwitz ermordet wurden: Klara, Georg, Rosalie-Emma und Elisabeth (verh. Raphael).

3. Familie Georg Rosenthal (31.10.1894 Oeventrop – Frühjahr 1942 Auschwitz), verheiratet seit ca. 1923 mit Hedwig Auerbach (14.4.1891 Telgte – Frühjahr 1942 Auschwitz). Zuerst wohnhaft in Oer-Erkenschwick, 1932 Rückkehr nach Oeventrop ins Haus der Mutter. Ein Sohn: Heinz (geb. 5.10.1926 Oer-Erkenschwick). Er kam 1939 in ein Kinderheim in Köln und konnte noch im Juni 1941 in die USA gelangen. 1947 Heirat mit Millie Black. Drei Töchter.

4. Familie Edmund Simon, Kirchstr. 89 (heute Kirchstr. 41, abgebrochen, Neubau Rickes/Blessenohl). Textilgeschäft. Edmund Moritz Simon (1874 -1925), verheiratet mit Berta Eichengrün (geb. 15.9.1878). Sieben Kinder: Selma (geb. 29.1 l.1901), Helene (Leni, geb. 12.2.1903), Rosa (geb. 16.10.1904), Gertrud (geb. 10.11.1906), Robert (geb. 2.7.1908), Henriette (Henni, 18.2.1910 – 12.9.1934), Julius (geb. 17.11.1911). Henni nahm sich I934 das Leben. 1934/35 wohnte vorübergehend der Sohn der verheirateten Tochter Rosa, Günther Rosenthal (geb. 24.2.1928 Recklinghausen) bei der Großmutter. Er besuchte von April 1934 bis April 1935 die Volksschule Oeventrop (1. Schuljahr) und wurde am 4.4.1935 nach Essen abgemeldet. Die Mutter Berta und ihre drei Töchter Selma (verh. Klipstein, Arnheim NL), Helene (verh. Eichenwald, Erwitte) und Rosa (verh. Rosenthal, Recklinghausen) wurden mit ihren Familien deportiert und ermordet. Es überlebten die Söhne durch Auswanderung nach Südafrika und die Tochter Gertrud (verh. Badouin) in Berlin.

5. Familie Berthold Jakob, Kirchstr. 104 (heute Kirchstr. 49, Kolpinghaus). Seit etwa 1905 Fleischerei mit Viehhandel und Wurstfabrikation. Berthold Jakob (19.10.1883 Oeventrop – 23.3.1949 Villa Maria/Argentinien), verheiratet seit etwa 1910 mit Berta Isenberg (28.9.1879 17.10.1936 Oeventrop). Auswanderung nach Argentinien Ende Juni 1939.

6. Familie Erich Jakob, Sohn von Berthold Jakob (27.4.1912 Oeventrop – 14.3.1994 Cordoba/Argentinien). Heirat am 9.6.1938 in Oeventrop mit Hildegard Stern aus Allendorf (geb. 28.11.1913 Allendorf). Bereits seit April 1938 lebte Hildegard Stern mit ihrer Mutter Adele Stern in Oeventrop. Auswanderung nach Argentinien Ende Juni 1939. Zwei Söhne: Carlito (geb. 11.11.1941) und Ernesto (geb. 31.10.1945).

7. Familie Meyer Jakob, Kirchstr. 49 (heute Kirchstr. 53, abgebrochen, Neubau Sparkasse Arnsberg-Sundern). Erstes Haus der seit etwa 1880 in Oeventrop ansässigen Familie mit Beinamen “Dängels” nach Daniel Jakob (geb. 4.2.1853 Freienohl), der vier Söhne hatte: Meyer, Berthold, Joseph und Karl; außerdem eine Tochter: Mathilde (geb. 23.4.1897 Oeventrop). Meyer Jakob (geb. 3l.l.1882 Oeventrop), der älteste, verheiratet, jedoch kinderlos, Viehhändler, bewohnte mit der Mutter Sara das Erdgeschoß des Hauses. Auswanderung nach Argentinien Ende Juni 1939.

8. Familie Joseph Jakob, Kirchstr. 49. Joseph Jakob (geb. 23.2.1892 Oeventrop), ebenfalls Sohn von Daniel Jakob, auch Viehhändler. Verheiratet mit Friederike Eichengrün. Zwei Kinder: Walter (geb. 23.5.1919 Oeventrop), Margot (geb. 13.1.1922 Oeventrop); Walter besuchte bis 1935 das Gymnasium Laurentianum in Arnsberg, Margot wurde 1936 nicht mehr in das Arnsberger Lyceum aufgenommen. Die Familie bewohnte die erste Etage des Hauses. Auswanderung nach Argentinien Ende Juni 1939. – Bruder Karl (23.4.1897 Oeventrop – 27.6.1982 Israel) zog 1921 nach Arnsberg und machte sich als Viehhändler selbständig. Heirat mit Julia Levi (26.12.1896 Rhoden/Waldeck – 29.2.1976 Israel). Zwei Söhne: Heinz-Robert (geb. 1.12.1922 Arnsberg) und Helmut (geb. 14.9.1927 Arnsberg). Auswanderung nach Palästina 1939.

Anmerkung: Hier sind nur die bisher sicher ermittelten Daten verzeichnet. Daraus erklären sich manche Lücken in den Angaben. Diese können, wenn überhaupt, nur durch weitere Nachforschungen geschlossen werden.

SPUREN

Ihrer religiösen Tradition verbunden, besuchten die Oeventroper Juden die 1852 errichtete Arnsberger Synagoge, deren zum Wohnhaus umgebautes Gebäude bis heute erhalten ist. Sie übernahmen auch Verantwortung im Synagogenbezirk Arnsberg, zu dem sie gehörten: Von 1907 bis 1915 bzw. 1925 waren Louis Rosenthal und Edmund Simon Mitglieder des Repräsentanten-Gremiums, ebenso 1932 bis 1937 Berthold Jakob und Robert Simon. Überliefert ist, dass die Männer meist zusammen mit der Bahn nach Arnsberg fuhren, um am Gottesdienst in der Synagoge teilzunehmen. Ein Zeichen religiösen Bekenntnisses ist auch die Mesusa des Hauses Meyer Jakob (Kapsel mit einem Text der Thora, angebracht am Türpfosten), die die alte Frau Jakob bei ihrer Auswanderung 1939 dem Lehrer Müller, dankbar für erwiesene Freundlichkeit, zum Andenken hinterließ.

Die Toten der Oeventroper Familien fanden ihre letzte Ruhe auf dem 1847 angelegten jüdischen Friedhof am Seltersberg in Arnsberg. Von 1897 bis 1939 wurden sie dort begraben. Bis auf Johanna Ransenberg sind von allen Grabsteine erhalten. An der Grabstätte Louis Rosenthals (gest. 1915) wird auch mit Namensnennung der fünf aus Oeventrop deportierten und umgekommenen Angehörigen gedacht.

Eine Besonderheit ist das Grab der aus Oeventrop stammenden Mathilde Ransenberg, geb. Jakob, Mutter von sechs Kindern, die im Mai 1942 in Wennemen starb und auf dem dortigen christlichen Friedhof bestattet wurde. Das Grab ist bis heute erhalten. Auf der Grabplatte mit dem Davidstern wird auch des ermordeten Sohnes Günter gedacht. Friedel Ransenberg, ein Vetter Heinz Rosenthals aus Wennemen, der Auschwitz überlebte, berichtete über Georg und Hedwig Rosenthals Tod im Vernichtungslager Auschwitz, in das sie im Frühjahr 1942 eingeliefert wurden. “Der Transport geschah mit einem offenen Eisenbahnwaggon und die Deportierten hatten mehrere Tage nichts zu essen erhalten. Bei der Ankunft wurde das Ehepaar getrennt und Hedwig Rosenthal ist offensichtlich am gleichen Tag in der Gaskammer ermordet worden. Ihr Ehemann Georg verlor nach diesem Ereignis alle Hoffnung, verweigerte die Arbeit, meldete sich krank und starb innerhalb zweier Monate.” (M. Gosmann, Hrsg., Juden in Arnsberg, 1991, S. 214).

OPFER DER NS-JUDENVERFOLGUNG AUS OEVENTROP

  1. Personen mit letztem Wohnort Oeventrop

Deportiert und ermordet:

Ransenberg, Berta, geb. 1879, Ziel Osten Ransenberg,

Mathilde, geb. 1882, Ziel unbekannt

Rosenthal, Emma, geb.Ransenberg, geb.1858, Ziel Theresienstadt

Rosenthal Klara, geb. 1893, Ziel Theresienstadt

Rosenthal, Rosalie-Emma, geb. 1896, Ziel Auschwitz

Rosenthal, Georg, geb.1894, Ziel Auschwitz

Rosenthal, Hedwig, geb. Auerbach, geb. 1891, Ziel Auschwitz

Unter besonderen Umständen gestorben:

Simon, Henriette (Henni), geb. 1910, gest. 1934, Freitod

II. Personen aus Oeventrop an anderen Wohnorten

Deportiert und ermordet:

Raphael, Elisabeth, geb. Rosenthal, geb. 1901, Berlin, Ziel Auschwitz

Simon, Berta, geb. Eichengrün, geb. 1878, Arnheim NL,Ziel Auschwitz

Klipstein, Selma, geb. Simon, geb. 1901, Arnheim NL, Ziel Auschwitz

Eichenwald, Helene, geb. Simon, geb. 1903, Erwitte, Ziel Zamosc

Rosenthal, Rosa, geb. Simon, geb.1904, Recklinghausen, Ziel Auschwitz

Unter besonderen Umständen gestorben:

Mathilde Ransenberg, geb. Jakob, geb. 1896, gest. 1942, Wennemen, Herztod nach Ermordung ihres Sohnes im KZ Wewelsburg

WORTLAUT DER GEDENKTAFEL

Hier in der Kirchstrasse lebten bis 1939/1942 die jüdischen Familien Jakob, Ransenberg, Rosenthal und Simon. Sie erlitten in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, weil sie Juden waren, schweres Unrecht. Einundzwanzig Familienangehörige retteten durch Auswanderung ihr Leben. Zwölf in Oeventrop wohnende oder hierher stammende Menschen wurden deportiert und ermordet:

Berta Ransenberg * 1879

Mathilde Ransenberg * 1882

Emma Rosenthal * 1858

Klara Rosenthal * 1893

Georg Rosenthal * 1894

Hedwig Rosenthal * 1891

Rosalie-Emma Rosenthal * 1896

Elisabeth Rosenthal (verh. Raphael) * 1901

Berta Simon * 1878

Selma Simon (verh. Klipstein) * 1901

Helene Simon (verh. Eichenwald) * 1903

Rosa Simon (verh. Rosenthal) * 1904

Ehre ihrem Andenken

Das Erinnerungsmal an der Kirchstraße neben dem früheren Hause von Berthold Jakob wurde gestaltet von dem Oeventroper Schulmann und Künstler Erhard Jaekel. Es besteht aus zwei alten Holzschwellen der Ruhrtalbahn, an denen eine bronzene Schrifttafel angebracht ist, und erhebt sich über einem Pflaster aus Blaubasaltsteinen, wie es einst die Kirchstraße hatte, als hier noch jüdische Menschen wohnten. Die Eisenbahnschwellen sind Symbol für die Reisen, die sie 1939/1942 antreten mussten: die einen zur Rettung fort in andere Länder, die anderen in den Tod. Angeregt wurde das Gedenken – aus Sorge, dass die Verfolgung der Juden, wie sie auch an diesem Ort geschah, vergessen werde – von Dr. Benedikt Höhmann, Münster, einem gebürtigen Oeventroper der Nachkriegsgeneration.

Ein literarisches Gedenken in verschlüsselter und poetisch verfremdeter Form publizierte schon 1982 die aus Oeventrop stammende Autorin Birgitta Arens (geb. 1948) in ihrem Roman “Katzengold”, der überregionale Beachtung fand. Dort erzählte sie in einem Kapitel von den Juden in “Uentrop”. Erkennbare Anknüpfungspunkte waren: der Metzger Berthold Jakob (“Bechthold”), seine Frau; der Laden, der Pogrom 1938 und Henni Simon (“Lene”). Die dörfliche Atmosphäre aus bösartiger Missgunst gegenüber den Juden und Verdrängung ihre Verfolgung einerseits und die Verzweiflung der Betroffenen andererseits werden hier eindrucksvoll dargestellt.

Auch der Verfasser (geb. 1930 in Oeventrop) hat in seinen hoch- und niederdeutschen literarischen Texten immer wieder an die jüdischen Nachbarn erinnert, so in der autobiographischen Skizze “Herkunftsort”, erstmals erschienen 1973: “Ein Schock meiner Kindheit- ich kann es nicht auslassen: was mit den Juden geschah, die wir im Dorf hatten. Ich weiß noch alle ihre Namen, und ich war damals nicht mehr als acht Jahre alt: Rosenthals und Simons, Jakobs und Ransenbergs. Plötzlich hatte man über Nacht alle ihre Läden zerschlagen; nachmittags darauf, am hellen Tage, machten ihnen Männer die Wohnungen kaputt, schmissen Sachen auf die Straße, vor meine Füße eine Schublade mit Eßbestecken, eine Packung Matzen. Ein paar Jahre später – inzwischen war Krieg – standen am Bahnhof weinend, dunkel gekleidet, ein paar Judenfrauen, ich kannte sie, ich sah, dass sie weg mussten – wohin? Später habe ich es erfahren. Keine von ihnen ist zurückgekommen.” (Westfalenspiegel, H. 1/1973).

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