„Fragt doch mal den Riesen Hün“ – eine neue Broschüre des AKO Oeventrop

Fundstückchen: Die gut gebratene Gans (2. Teil)

Fundstückchen: Fortsetzung Gerichtsverhandlung wegen Totschlags im Jahre 1912 – Teil 2

Sonder-Literatur-Angebot des AKO

Fundstückchen: Gerichtsverhandlung wegen Totschlags im Jahre 1912 – Teil 1

Die gut gebratene Gans

Fundstückchen aus unserem AKO-Archiv vom 1.7.1898

AKO inklusiv

Neue Dorf-Chronik offiziell am 17.12.21 vorgestellt

AKO in der Druckerei F.W. Becker

AKO besuchte die Klassen 4a und 4b der Grundschule Dinschede

Schreiben an die Stadt bzgl. Digitalem Marktplatz

Deshalb muss die Dinscheder Knabenschule erhalten bleiben!

AKO setzt sich für den Erhalt der Dinscheder Knabenschule ein

Interessant auch für die Schulklassen:

Geschichtspfad ist nun komplett

Wandeln auf Spuren der Geschichte

Geschichte erforschen und bewahren

Lattenberg-Broschüre wurde übergeben

Dorfgeschichte erlebbar machen

Aula war beim Lattenberg-Vortrag rappelvoll

Einladung zum Vortrag:

Die Entstehung der Siedlung Lattenberg

Arbeitskreis Ortsgeschichte (AKO) sucht alte Super-8-Filme

Jüdische Jugendliche in Oeventrop

Vita des Sauerlandmalers Hermann Springborn

Die jüdischen Familien in Oeventrop im Dritten Reich

Das Rätsel um das Haus Dürrefeld ist gelöst

“Kneipen-Verzeichnis” aller früheren Gaststätten in Oeventrop

Noch immer den Geruch in der Nase

Eröffnungsrede zur 1. Ausstellung von Ludwig Hoppe

Springborn-Kalender nun im Verkauf

Kneipenausstellung war ein großer Erfolg für den AKO

Der AKO lädt ein zur Kneipenausstellung

Gasthöfe mit bewegter Geschichte

„Erst wenn die letzte Kneipe im Dorf geschlossen hat, wissen wir, dass etwas Wichtiges fehlt”

AKO beschäftigt sich mit „Oeventroper Kneipen”

Immer mit dem Blick in die Ferne

Der SGV Oeventrop hat eine neue, 28-seitige Broschüre über den Oeventroper „Panoramaweg“ herausgegeben.

Der AKO sucht alte Fotos von der Rumbecker Brücke

Die Geschichte der Sauerländischen Stuhlfabrik

Die Brüggemänner

Leserbrief von Ludwig Hoppe zum Abriss der Dinscheder Kabenschule:

“Geschichtstafeln”

“Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“

Erinnerungen an einen Sauerländer Maler – ­Hermann Springborn

Besuch des Stadtarchivs am 27.6.2012

Der AKO war auf Spurensuche im Nachbardorf

Oeventrop ist um einen wertvollen Bildband reicher

Piep im Mund – Schalk im Nacken“

Die Geschichte der Sauerländischen Stuhlfabrik

25. November 2021

In der 2. Kalenderwoche des Jahres 2014 wurde damit begonnen, die erste Betriebsstätte der Sauerländischen Stuhlfabrik, ansässig an der Dinscheder Straße oberhalb der Straße Oesterfeldweg, ab zu reißen.

Der am 10. September 1877 geborene Oeventroper Georg Gierse erlernte zunächst in Werl das Handwerk des Orgelbauers und Tischlers.

Zunächst machte sich Georg Gierse mit Aufträgen und Arbeiten im Rahmen einer bescheidenen Schreinerei in Dinschede selbständig. Die Zeichen der beginnenden Industrialisierung entsprechend richtig erkennend, stellte er bereits früh mit der Gründung der Sauerländischen Stuhlfabrik um das Jahr 1910 am gleichen Platze die Weichen für die weitere Entwicklung: es war der Beginn eines großartigen wirtschaftlichen Aufstiegs der Gemeinde Oeventrop mit einer stark prosperierenden Möbelindustrie. Später trat sein Vetter, der Kaufmann Josef Wrede, als Partner in die Firma ein. Zuvor kamen und gingen verschiedene Geschäftspartner, so auch in den Anfangszeiten u.a. die Herren Stöss und Penselin als vorübergehende beteiligte Partner.

Das Fabrikgebäude an der Dinscheder Straße wurde im Jahre 1913 aus Ziegelsteinen erbaut, die von Wanderarbeitern aus dem Osten an Ort und Stelle gebrannt wurden. Der Lehm stammte aus dem Gebiet des heutigen „Elsterwinkel“, welches direkt neben an auf eigenem Grund lag.

Am Widayweg begann die Oeventroper Geschichte der Stuhlfabriken. Heute ist dort ein riesiges Einkaufszentrum.

Der große wirtschaftliche Erfolg machte es notwendig, die Fabrikation ca.1920 an die damals neu erbaute Bahnlinie (dem heutigen Widaymarkt) zu verlegen. Die neuen Fabrikanlagen wurden durch die Firma Bauunternehmen August(?) Kessler erstellt.

In dieser Zeit verfügte das Unternehmen über mehrere eigene Pferdegespanne, mit denen das benötigte Holz aus den umliegenden Wäldern abgefahren wurde; auf der Koppel standen mitunter bis zu 10 „Ackergäule“.

Ferdinand Hilmerich von der Oberglösinger Straße, besaß einen eigenen Stuhlwagen, der von einem Pferd gezogen, die gefertigten Stühle von Dinschede und später vom Widayweg zum Bahnhof zur Güterabfertigung transportierte, nach dem 2. Weltkrieg tat er dies, einschließlich auf- und abladen, mit einem Arm, da er den anderen im Krieg verloren hatte.

In der Spitze beschäftigte die „Sauerländische Stuhlfabrik Gierse und Wrede“ bis zu 150 Mitarbeiter. Dank großer fachlicher Leistungen und einer christlich-sozialen Einstellung stieg das Unternehmen zum führendsten Unternehmen am Platze auf. Mit Recht bezeichnete sich das Unternehmen über 50 Jahre lang als Erste und Größte Stuhlfabrik Westdeutschlands. Spezialitäten der Firma waren Stuhl- und Tischfabrikationen in jeder Holz- und Stilart, insbesondere in Eichenholz, Stühle mit Lederbezügen oder in Korbgeflechtverarbeitung.

Ebenso wurden Sonderanfertigungen oder besondere Kundenwünsche wie etwa Konferenztische nach Maß entsprechend ausgeführt. Daneben besaß die Firma verschiedenste Patente wie z. B. auf besondere Klappmechanismen bei Ausziehtischen. Auf den entsprechenden Möbelmessen war sie über Jahrzehnte vertreten.

Es ist das unbestreitbare Verdienst des Georg Gierse, die wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes Oeventrop maßgeblich beeinflusst und den Qualitätsruf der Oeventroper Tische und Stühle weit in die Lande getragen zu haben. In Würdigung dieser Tatsache wurde Georg Gierse als „Vater“ der heimischen Stuhlindustrie 1957 als erster und einziger der Gemeinde zum Ehrenbürger ernannt!

Bürgermeister Ewald Schulte (l.) überreicht dem “Vater, der Oeventroper Stuhlindustrie” die Urkunde zur Ernennung zum Ehrenbürger. Georg Gierse ist die einzigste Person, die diese Ehrung auf Grund besonderer Verdienste in Oeventrop erleben durfte!

Aus dem damaligen Unternehmen gingen zwei weitere große Stuhlfabriken in Oeventrop hervor: Die „Oeventroper Stuhlfabrik“ (später Weberstühle) am Bahnhof (heute LIDL) und die „GERMANIA“ Sitzmöbelfabrik (heute großes Dienstleistungszentrum neben dem Widaymarkt). Die Gründer waren die ehemaligen Mitarbeiter Franz Weber (erste Produktionsstätte an der Glösinger Straße hinter dem Hause Koßmann (der auch Mitbegründer war) und Johannes Kraas („Grello“, großer Förderer des TuS Oeventrop).

Ein weiterer Mitarbeiter Kusch machte sich später in Hallenberg selbständig (die Firma hat heute über 1000 Beschäftigte). (siehe http://de.kusch.com/).

Zwei weitere Familienmitglieder, Ludwig und Engelhard Gierse machten sich 1937 in Ellrich/Harz mit einer Stuhl- und Tischfabrik selbständig, die im Trubel der Nachkriegswirren aufgrund der Grenzziehung zwischen Ost- und Westdeutschland aufgegeben werden musste.

Georg Gierse trug also zu Recht das Prädikat „Vater“ der heimischen Stuhlindustrie.

Darüber hinaus nahm er rege am öffentlichen Leben teil: 3 Jahrzehnte gehörte er zum Kirchenvorstand und lange Zeit als Mitglied bzw. stellvertretender Vorsitzender zum Aufsichtsrat der Spadaka. Er war im Gemeinderat, Schützenkönig und mehrere Jahre auch Schützenhauptmann. Wohl alle damaligen Oeventroper Ortsvereine zählten ihn ein halbes Jahrhundert zu seinem Mitglied oder Ehrenmitglied.

Zu seinen Hobbies gehörte u.a. das Jagen. So hatte er von 1920-1945 eine Jagd in Obersalwey (Homert) und von 1945-1962 in Freienohl gepachtet.

Seine christlich-soziale Ader erkennt man an vielen Beispielen: So verschickte er z.B. schon in den 30-er Jahren, in einer Zeit als der NS-Staat bereits Jagd auf die Juden machte, LANZ-Bulldog-Teile in Kisten verpackt nach Juden in Übersee! Auf das Vorkaufsrecht des damaligen Judenhauses, später Kolpinghaus, hat er aus Pietätsgründen verzichtet! Für die kath. Pfarrkirche hatte er die Beichtstühle gespendet und als 1946 wieder Glocken in den Kirchturm gehängt werden sollten, stiftet er die erforderlichen dicken Stütz-Eichenbalken für diesen Glockenturm.

Dass in der 1982 herausgegeben Chronik „Die Ruhrdörfer“ die „Sauerländische Stuhlfabik“ als Vorläufer und Gründer völlig unerwähnt geblieben ist, gehört zu den ganz großen Schwächen dieser ansonsten außergewöhnlich guten Chronik.

Georg Gierse war mit manchen menschlichen Tugenden und Vorzügen ausgestattet, was ihn jedoch nicht davor schützen konnte, den Niedergang seines Unternehmens Anfang der 60-er Jahre noch im hohen Alter mit erleben zu müssen, als seine Familie aus finanziellen Gründen aus dem Unternehmen gedrängt wurde!

Die Firma wurde dann noch kurze Zeit vom Schwiegersohn des verstorbenen Geschäftspartners Josef Wrede, Ferdinand Stemann fortgeführt, ging aber schon nach kurzer Zeit in Konkurs.

Danach ruhte der Betrieb auf dem Gelände für längere Zeit und wurde nach und nach vom neuen Besitzer Stemann aufgeräumt und umgebaut bis zum Jahre 1967, da eröffnete ein Möbelhaus mit dem Namen MMZ aus Gütersloh seine Pforten in der ehemaligen Stuhlfabrik – gleichzeitig gründeten die Herren Karl-Vinzenz Eikel + Hans-Hermann Spindeldreher ihre Firma E+S, (Kunststoffbeschichtung von Spanplatten), die 26 Jahre dort beheimatet war, ehe sie nach Wildshausen in das ehemalige Werksgelände der Firma Steinau nach dessen Kauf übersiedelte.

Heute ist das Einkaufszentrum „Widaymarkt“ eines der größten in der ganzen Umgebung mit einem Einzugsbereich, der weit über die Grenzen Oeventrops hinaus geht!

Doch zurück zum Gebäude an der Dinscheder Straße. Erbaut wurde es im Jahre 1913 mit einem etwa 30 Meter hohen Schornstein südöstlich der Fabrik, der im 2. Weltkrieg aus Übungszwecken gesprengt wurde. Die damalige Fabrik hatte auch ein kleines Wasserkraftwerk, das von einem Bach, der unter dem Hause Bette verlief, durch 100-er Rohre gespeist wurde. Oberhalb des Hauses Bette war bis in die 60er Jahre noch ein Teich, ebenso ein weiterer unterhalb an der Dinscheder Straße; insgesamt war aber die Wasserkraft nicht völlig ausreichend, um die vielen Maschinen mit Strom zu versorgen. Es gab damals auch eine kleine Gebetsglocke am Fabrikgebäude die wahrscheinlich in der Nazi-Zeit entfernt werden musste (was vermutet, aber nicht belegt ist).

Diente die Dinscheder Fabrik vor dem 2. Weltkrieg noch als Holzlager für die bereits 1920 am Widayweg erstellte Fabrik, so wurde sie im Kriege zur „Schule“ für verwundete Soldaten eingerichtet, die im Elisbabethheim und im Kloster auf der Egge („Mottenburg“) gesund gepflegt wurden und sich hier schulisch, sogar bis zum Abitur weiter bilden konnten. Darüber hinaus war dort technisches Material wie Motorräder, Fahrzeugteile zur Schulung der „Motor HJ“ – „Hitlerjugend“ gelagert, welches kurz nach Kriegsende in einer Nacht gestohlen wurde.

Den Bombenangriff am 9. Februar 1945, bei dem 19 Oeventroper in unmittelbarer Umgebung der Fabrik den Tod fanden, hat die alte Fabrik damals weitgehendst unversehrt überstanden.

Später diente die Fabrik mehreren Familien als Wohnhaus für Vertriebene aus den Ostgebieten oder Ausgebombten aus dem Ruhrgebiet. (Anton Gluns , Wilhelm Schiwek, Richard Schneider, Ernst Wagner und August Werner). Mehrere Firmen hatten in der alten Fabrik später ihre Lager- bzw- Produktionsräume: Getränke Ferdinand Bräu, Kartonagen Heinze (später Freienohl), Willi Grünfeld (Möbel) sowie Waldemar Visser (Dachdecker) und Eisenwaren Beste aus Arnsberg.

Der Fotograf Schick (Wohnung im Hause Hesse an der Dinscheder Straße) hatte einige Zeit sein Atelier im Untergeschoss der ehemaligen Fabrik eingerichtet.

Im Keller war in den 60er Jahren ein großes Kühlhaus eingerichtet worden, in dem die heimischen Bauern Kühlfächer für die Einlagerung des Fleisches ihrer geschlachteten Tiere anmieten konnten.

Mit dem Abriss der alten Sauerländischen Stuhlfabrik an der Dinscheder Straße endet ein weiteres trauriges Kapitel Oeventroper Industriegeschichte!

Quellen: Westfalenpost, Ulrich Kümmeke und Hans-Georg Gierse (beide Enkel des Firmengründers).

Bilder: Archiv + Franz-Josef Molitor und Franz Rüther

Text: Franz-Josef Molitor

Briefkopf des Unternehmens

Die Brüggemänner

25. November 2021

Aus alter Zeit:

Das ganze fing mit einem „Krach“ an:

Seit 100 Jahren schwingen die „Brüggemänner“ den Zeigestock!

Ein ganz und gar nicht eintöniges Kapitel Oeventroper Schulgeschichte

Am 11.11.1974 auf den Tag genau waren 100 Jahre ununterbrochen „Brüggemänner“ an der Oeventroper Schule tätig.

Die WESTFALENPOST berichtete damals:

100 Jahre Oeventroper Schulgeschichte sind mit dem Namen „Brüggemann“ unlösbar verbunden, denn seit 1874 unterrichteten sie in ununterbrochener Reihenfolge die „Brüggemänner“ in den Ruhrdörfern (Red.: bis zum Jahre 1988 kamen dann noch einmal 14 Jahre bis zur Pensionierung von Konrektor Meinolf Brüggemann hinzu)!

Josef Brüggemann aus Calle: Mit ihm begann die Lehrer-Dynastie der “Brüggemänner” in Oeventrop

Dabei fing das ganze mit einem „Krach“ an, den der 1851 in Calle, Kreis Meschede, geborene Josef Brüggemann, seit 1872 Lehrer in Breckerfeld, in den Kartagen des Jahres 1874 mit seinem Pastor hatte: Die Messdiener spurten nicht, wie der Pastor es gerne gehabt hätte und wie der Lehrer es hätte einüben sollen. Kurz entschlossen ließ Josef Brüggemann Orgel, Messdiener und Pastor im Stich (ein damals in Zeiten geistlicher Ortsschulinspektion ein wahrlich kühnes Unterfangen), reiste in das heimatliche Calle und erfuhr dort, dass in Oeventrop die Lehrerstelle vakant sei, die er dann auch prompt erhielt.

So unterrichtete er vom 25. August 1874 an der erste Brüggemann an der zweiklassigen Schule in Dinschede, wie damals Oeventrop noch politisch lautete.

Schule gehalten wurde nach dem so genannten „Sauerländer System“: Jungen und Mädchen getrennt vom 1. bis zum 8. Jahrgang in einer Klasse an der Dinscheder Straße, dazu noch in zwei Gebäuden, so dass sich bis heute noch im Volksmund die Namen „Mädchenschule“ (jetzt Verkehrsverein und Gesundheitsamt, (heute Jürgen Kramer) und „Alte Knabenschule“ (heute Grundikits und AKO). Erbaut wurden die Schulgebäude 1883.

Darüber hinaus hatte Josef Brüggemann immer 60 bis 80 Kinder pro Klasse unterrichtet, wie das damals so allgemein für einen königlich preußischen Dorfschulmeister zumutbar war.

Er wurde dann nach dem durch die industrielle Entwicklung bedingte Anwachsen des Dorfes Oeventrop erster und letzter Hauptlehrer, kämpfte um 1900 mit Vehemenz erfolglos gegen eine Dezentralisierung der Schulgebäude eines Systems (zwei in Dinschede eines – 1903 bis 1973 – in Oeventrop) (heute Dr. Danne) und wurde Mitbegründer der Spar- und Darlehnskasse, deren erster Rendant er von 1898 bis zu seinem Tode im Jahre 1921 war. Noch heute heißt ein Zimmer im Hause Brüggemann an der Dinscheder Straße das „Kontor“.

Der „Stammvater“ der Pädagogen-Dynastie: Josef Brüggemann, von 1874 bis 1921 Schulleiter in Oeventrop.

Vier der sechs Brüggemann-Kinder ergriffen den Lehrberuf. Tochter Antonie ging als Schwester Maria-Canisia zu den Armen Schulschwestern, leitete von 1913-1922 das Lyzeum in Arnsberg und stand 12 Jahre als Provinzial-Oberin im Mutterhaus Brede dem Orden vor.

Die Söhne Josef (zuletzt Rektor in Belecke, gest. 1972) und Franz (noch bis 1972 acht Jahre nach der Pensionierung zur Aushilfe in Köln tätig) verließen das Dorf, während Sohn Karl, geb. 1896, im Jahre 1917 nach einer Kriegsverletzung die Brüggemann-Tradition fortsetzte und bis 1959 unter vier verschiedenen Staatsformen unterrichtete, davon von 1950 bis 1959 als Rektor.

Karl Brüggemann – im Kreis Arnsberg besonders bekannt durch seine Tätigkeit als Landrat von 1961 bis 1969 – meint, sein Vater habe ihm schon früh immer wieder eingeimpft, für eine Konzentration der Schulgebäude im Ort zu sorgen. So erzählt er noch heute mit Befriedigung vom Kauf des Geländes „Am Bruch“ durch die Gemeinde im Jahre 1928. „Damals kauften der Amtmann, der Gemeindevorsteher und ich unseren gepachteten Kuhkamp ohne Wissen des Gemeinderates für 9000 Reichsmark, genau 1 ha und 11 qm. Hätte der Gemeinderat abgelehnt, hätte ich die Wiese gekauft!

Eine gute Weitsicht, denn heute stehen auf diesem, durch eine Überrumpelung gekauften Gelände die Grund- und Hauptschule und mit der Fertigstellung eines 10-Klassen-Traktes im Dezember ist es endlich mit der 70-jährigen Dezentralisierung vorbei.

Karl Brüggemann – Rektor und Landrat

1911 lernte Karl Brüggemann für einen Groschen pro Stunde im Arnsberger Hallenbad das Schwimmen. Als junger Lehrer wollte er die Schüler auch dafür begeistern. Aber: „Mein Verständnis zur Geistlichkeit war vor 50 Jahren im Sommer während der Badesaison getrübt, ersichtlich am ´brümmeligen´ Gesicht des Pastors: Ein Lehrer mit Jungen und Mädchen zusammen in der Ruhr! Selbst die Haushälterin guckte in eine andere Richtung!“ Das sei erst wieder normal geworden, wenn er zur Vorbereitung der Nikolausfeier gebraucht wurde oder der Kommunionunterricht erteilt werden musste.

Seit dem Tode seines Vaters im Jahre 1921 ist Karl Brüggemann bis heute stellv. Vorsitzender und Vorsitzender der Spadaka. Ein Amt, dass er Ende November endgültig niederlegen wird.

Landrat Karl Brüggemann mit Oberkreisdirektor Dr. Theodor Cronau, späterer Stadtdirektor von Arnsberg
Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

In der 3. Generation ist Neffe Meinolf Brüggemann (Vater Josepf) in Oeventrop tätig. Nach den Kriegswirren 1948 durch Zufall nach hier verschlagen, heute Konrektor der Hauptschule, seit 15 Jahren Schiedsmann und auch Leiter der örtlichen VHS.

In diesen 100 Jahren hat die Familie Brüggemann die Entwicklung des Schulsystems von der zweiklassigen Volksschule bis zu den 30 Klassen der Grund- und Hauptschule miterlebt und immer in leitender Position aktiv mitgestaltet. Ob es noch einmal 100 Jahre in Oeventrop werden? Wahrscheinlich nicht, denn die Tradition: „Wie der Vater, so der Sohn“ besteht nicht mehr!

Josef Brüggemann, Sohn des „Stammvaters“ und Vater von Meinolf, wirkte zuletzt als Rektor an der Volksschule in Belecke.

Rektor und Landrat Karl Brüggemann (Vater von Egon): Engagierter Pädagoge und Kommunalpolitiker und Heimatfreund.

Meinolf Brüggemann: Konrektor der Hauptschule, VHS-Leiter und seit 15 Jahren Schiedsmann. (verstorben am 22. Dezember 2013) Nachruf weiter unten!

Dieser Bericht wurde uns freundlicherweise von Rektor a.D. Erhard Jaekel zur Verfügung gestellt!

Westfalenpost 11.11.1974 – Redakteur: Johannes Vielhaber (Rektor der Grundschule)

Zum Gedenken an
Konrektor a.D. Meinolf Brüggemann
Träger des Bundesverdienstkreuzes

Meinolf Brüggemann war ein Gentlemann vom Scheitel bis zur Sohle!

Am 4. Adventssonntag verstarb im hohen Alter von 87 Jahren der langjährige Pädagoge und Konrektor Meinolf Brüggemann im Kreise seiner Familie.
Meinolf Brüggemann wurde am 11. August 1926 in Beleke als Sohn des Lehrers Josef Brüggemann geboren.
Nach seiner Studienzeit kam er im Jahre 1947 als 22-jähriger Junglehrer an die Oeventroper Hauptschule, an der auch bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988 segensreich wirkte.
Das Wohl der ihm anvertrauten Schüler lag ihm sehr am Herzen.
Da ich selber meine letzten drei Jahre in seiner Klasse verbracht habe, kann ich mich noch sehr gut an ihn erinnern. Nachdem wir zuvor fünf Jahre von eher pflegeleichten Lehrern unterrichtet worden waren, was zu einer gewissen „Verwilderung“ unserer gesamten Klasse geführt hatte, nahm er uns nun unter seine Fittiche und brachte uns binnen kürzester Zeit wieder „auf Vordermann“, was aber auch unbedingt notwenig war, da wir alle unser fünftes Schuljahr als verloren abhaken mussten und reichlich nach zu holen hatten. Jede dunkle Wolke am Himmel nutzte Meinolf Brüggemann kurzerhand zur Absage der anstehenden Sportstunden, stattdessen ließ er unser Gehirn „turnen“, wie er es aus zu drücken vermochte, das schien ihm wichtiger und notwendiger zu sein. „Rechenkärtchen verteilen“, das war eines seiner Lieblingskommandos, wenn es in der Klasse mal wieder turbulent zu ging. So bekam er uns von Woche zu Woche besser in den Griff und konnte sich immer mehr seiner eigentlichen Aufgabe widmen, uns den notwendigen Lehrstoff zu vermitteln.
Im Jahre 1959 wurde Meinolf Brüggemann zum Konrektor ernannt, er blieb dies bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988. Bei seiner Verabschiedung sagte Schulrat Schwermer: „Meinolf Brüggemann war 29 Jahre hier der 1. Offizier, 10 Jahre unter Rektor Karl Lammert und 19 Jahre und Erhard Jaekel. Sein fairer und liberaler Führungsstil und seine Bereitschaft zum Lachen haben ihn bei den Schülern und Lehrern gleichermaßen beliebt gemacht!“
Weiterhin würdigte ihn der Landrat als einen Menschen, der sich nicht gescheut habe, Verantwortung und Pflichten zu übernehmen. Mit seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst im Jahre 1988 ging in Oeventrop eine 100-jährige Dynastie der „Brüggemänner“ als Lehrer in Oeventrop zu Ende (siehe oben).
Neben seiner Tätigkeit als Lehrer war Meinolf Brüggemann viele Jahre Mitglied für die CDU im damaligen Gemeinderat. Und genau dieser Gemeinderat hatte im Jahre 1969, nach dem Ausscheiden von Rektor Lammert über die Neubesetzung des Schulleiters zu befinden. Zunächst war Meinolf Brüggemann der einzige Bewerber um dieses hohe Amt. Als dann eine weitere Bewerbung von Erhard Jaekel eintraf, zog Meinolf Brüggemann seine Bewerbung zurück, um sich nicht dem Verdacht der „Vetternwirtschaft“ aus zu setzen; ja so war Egon Brüggemann, eine Gentlemann vom Scheitel bis zur Sohle.
Nach dem Vorstellungsgespräch von Erhard Jaekel vor dem gesamten Gemeinderat war es Meinolf Brüggemann, der dem neuen Rektor die frohe Botschaft über seine Einstellung überbrachte. Erhard Jaekel sagte mir zu dieser Situation: „Sein kräftiger Händedruck war der Beginn einer jahrzehntelangen Freundschaft!“
Meinolf Brüggemann war aber nicht nur Lehrer, Konrektor und Gemeindevertreter gleichzeitig, darüber hinaus übte er auch viele Jahre das Amt des örtlichen Schiedsmanns aus und war viele Jahre der Leiter der örtlichen Volkshochschule, die in der damaligen Zeit gegründet wurde.
Für seine großen Verdienste wurde ihm im Jahre ???? das Bundesverdienstkreuz verliehen!
Meinolf Brüggemann war verheiratet mit seiner Frau Ursula, die leider im Jahre 1992 viel zu früh verstorben ist. Gemeinsam haben sie zwei Kinder; Rüdiger und Simone, die gemeinsam mit ihren Ehepartnern und den vier Enkelkindern um den Verstorbenen trauern. Seine letzten Jahre verbrachte er mit seiner Lebensgefährtin, Frau Anneliese Rampelmann.
Das Seelenamt für den überzeugten und praktizierenden Katholiken Meinolf Brüggemann wurde am Samstag, dem 28. Dezember 2013, um 10 Uhr in der Pfarrkirche in Oeventrop gefeiert; die Beerdigung war im Anschluss daran.
Text: Franz-Josef Molitor
Foto: Rüdiger Brüggemann

Meinolf Brüggemann bei der Festrede 800 Jahre Uentrop im Jahre 2007

Leserbrief von Ludwig Hoppe zum Abriss der Dinscheder Kabenschule:

25. November 2021

Geschichtsträchtiger Ort

Schulareal Dinschede. Der Artikel „Alte Knabenschule abreißen“ offenbart mit dieser Forderung den Verlust jeglichen Geschichtsbewusstseins bei den Initiatoren. Für die Ruhrdörfer ist dies ein geschichtsträchtiger Ort. An dieser Stelle begann vor 250 Jahren in einem kleinen Fachwerkhaus die Alphabetisierung der Jugend der drei Ruhrdörfer. In dieser Tradition wurde vor 140 Jahren auf selbem Grund die Alte Knabenschule errichtet und diente, bei kurzzeitiger Unterbrechung, bis ins 21. Jahrhundert schulischen Zwecken.

„Bautechnisch in einem schlechten Zustand mit baulichen Mängeln“ heißt es. Sicherlich muss ein Gebäude dieses Alters saniert werden, um u.a. heutigen energetischen Vorgaben und Sicherheitsstandards zu entsprechen. Möglicherweise ist ein Abriss kostengünstiger, aber das bedeutet ein weiteres mal einen erheblichen Verlust von Geschichte. Davon gibt es in Oeventrop genügend Beispiele. Immer wird mit der Kosten-Nutzen-Rechnung argumentiert. Wie aber sähen unsere Altstädte, unsere Dörfer aus, wenn nur nach diesem Prinzip vorgegangen würde.

Wenn ein Feuchtbiotop, eine seltene Pflanze, ein Tier der Roten Liste durch Baumaßnahmen gefährdet sind, finden sich (Gott sei dank) streitbare Lobbyisten. Gebäude haben allzu oft keine Lobby und verschwinden in wenigen Stunden im Staub von Abrissbirne und Baggerschaufel.

Dass es auch anders sein kann, zeigt die Restaurierung des Bahnhofsgebäudes. Heute ein baulicher Glanzpunkt und ein Dokument dörflicher Entwicklung. Beim Kauf durch einen Privatmann war das Gebäude im weitaus schlechteren Zustand als die Knabenschule.

Neben den baulichen Mängeln wird der Abriss mit der „Schaffung einer Sichtachse auf die neue Ortsmitte hin“ begründet. Dies halte ich für wenig überzeugend. Von den künftigen Schulgebäuden aus gesehen wird die Sicht vor allem an der viel befahrenen Dinscheder Straße enden. Bei dem tiefer liegenden renaturierten Ruhrbogen handelt es sich lediglich um ein Stück wiederhergestellter Natur, wie wir es von Postkarten aus den 1900er Jahren kennen. Mit den Sitzbänken, dem Fledermausturm und der (geplanten) neuen Brücke ist dies nach Fertigstellung sicherlich ein positiver Freizeitgewinn und ein geeigneter außerschulischer Lernort. Ein weiteres Argument wird mit der „fehlenden Gebäudegröße“ geliefert. Zu klein für die vielen angemeldeten und erahnten Bedarfe. Diese Bedarfe sollten erst einmal mit realistischen Zahlen belegt werden, denn viele der Oeventroper Vereine haben bereits ihre Räume. Die Mitnutzung schulischer Räume durch Musikvereine für Übungszwecke hat in der Vergangenheit problemlos funktioniert, wie ich es in meiner Zeit als Schulleiter erfahren habe. Ebenso haben die Kirchengemeinden („Kinderbibelwoche“), der SGV (Seniorennachmittag), eine Tanzgruppe, etc. für wenige Male im Jahr schulische Räume nutzen können. Die Befürchtung, dass die Knabenschule den Bedarf bei Weitem nicht abdeckt, ist also bei näherer Betrachtung nicht haltbar.

Eine renovierte Knabenschule bietet aus meine Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten genügend Räumlichkeiten als Bürgerzentrum und sollte darum erhalten werden. Besonders provokant wäre es, wenn ein Abriss nur der Beschaffung von Parkraum dienen würde. Der Verlust von heimatlicher Identität beginnt mit dem Abriss eines solchen geschichtsträchtigen Gebäudes. Auch der Arbeitskreis Ortsgeschichte sieht in dem Erhalt ein „Vermächtnis“ in dem das „geschichtliche Gedächtnis“ der drei Ruhrdörfer dokumentiert werden sollte. Entsprechende Nutzungsvorschläge in einem Teilbereich des Gebäudes sind bereits bei der Planungskommission eingereicht worden.

Ludwig Hoppe, Oeventrop

Der von der örtlichen CDU vorgeschlagene Abriss der alten Oeventroper Knabenschule erweckt Widerstand. Foto: Wolfgang Becker

“Geschichtstafeln”

25. November 2021

Langzeitprojekt des Arbeitskreises Ortsgeschichte Oeventrop

Die erste angebrachte Geschichtstafel hängt nun an der Dinscheder Knabenschule

Wir schreiben das Jahr 1882. In der Gemeinde Dinschede wird auf historischem Grund die Knabenschule errichtet, ganz aus Stein. “Die müssen “steinreich” sein!”, erregten sich die Bürger, denn sie besaßen nur Häuser aus Holzbalken und Lehm. Historisch war der Grund, weil genau an dieser Stelle zuvor die alte Bauernschule stand, in der, hauptsächlich wintertags, die Alphabetisierung der Kinder aus den drei Bauernschaften Dinschede, Glösingen und Oeventrop begonnen hatte. Darüber berichtet L. Hoppe bei der Enthüllung der Geschichtstafel, auf der die Mitglieder des Arbeitskreises Ortsgeschichte (AKO) aus historischem Bild- und Textmaterial die wechselvolle Historie des 135 Jahre alten Gebäudes dokumentiert haben. “Ich bin selbst noch in diese Schule gegangen und habe heute noch den Geruch des Terpentin getränkten Fußbodens in der Nase und kann mich noch gut an die langen Eichenbänke mit dem Tintenfass und den alten Kanonenofen erinnern”, weiß mancher aus dem Arbeitskreis zu berichten.

Dank der Weitsicht der damaligen Entscheidungsträger ist dieses solide Bauwerk, bestehend aus zwei Lehrerwohnungen und zwei Klassenräumen, baulich noch nahezu unverändert, immer noch Teil der Grundschule und beherbergt heute die GrundiKids (Ganztagsbetreuung) und außerdem das Archiv des Arbeitskreises.

Die Mitglieder dieses Kreises haben sich im vergangenen Jahr die Aufgabe gestellt aus dem inzwischen umfangreichen Archivmaterial Geschichtstafeln zu erstellen, die den Bürgern und Besuchern des Ortes die Möglichkeit bieten, wie in einem Geschichtsbuch vom Werden und Wandel des Ortes zu lesen. So “erzählen” zwei weitere Tafeln, die kürzlich am Missionskreuz unterhalb des ehemaligen Klosters auf dem Haarscheidt aufgestellt wurden, vom fast 100jährigen Klosterleben in Oeventrop. Eine weitere Tafel wurde am alten Kirch-, Schul- und Postweg nach Rumbeck, heute Weg unterhalb der Vogelstange, in der Nähe des SGV Wanderheims errichtet. Hier ist nachzulesen und aus altem Karten- und Bildmaterial ersichtlich, wie beschwerlich der Weg von Arnsberg über Rumbeck und Oeventrop nach Freienohl zur “guten alten Postkutschenzeit” war.

Auf der Geschichtstafel an der Mauer von Raulfs Hof (Ortsteil Oeventrop) geben Bilder und Karten Auskunft über Wegezustände und Wegebau um die Mitte des 19. Jahrhunderts am Beispiel des “schmutzigen Hohlwegs, der mit befrachtetem Fuhrwerk nur sehr mühsam, für Fußgänger dagegen zu nasser Jahreszeit gar nicht zu passieren war”, wie es in der Chronik des Johann Georg Rüther (19. Jh.) heißt.

In Planung sind weitere Geschichtstafeln, die im Laufe des Jahres an den authentischen Stellen im Ort z.B. Einblicke in die wechselvolle Industriegeschichte, die Geschichte des Ruhr-Freibades, des Eisenbahnbaus, der verschiedenen Brückenbauten usw. geben.

Eine besondere Geschichtstafel ist im Ortskern, in Ergänzung zum bereits bestehenden Mahnmal der Judenverfolgung, geplant, auf der in Bildern und Texten den jüdischen Mitbürgern, ihren Häusern und ihrer Arbeit “ein Gesicht” gegeben werden soll.

Zur Erstellung der letztgenannten Tafel bittet der Arbeitskreis noch dringend um Bilder von den ehemaligen jüdischen Mitbürgern.

Bei der Anbringung der Geschichtstafel an der Knabenschule wurde den drei ortsansässigen Banken (Sparkasse Arnsberg-Sundern, Spadaka Oeventrop und Volksbank Sauerland) und der Metallbau Firma Feldmann, die die Anfertigung der Tafeln finanziell und materiell großzügig unterstützt haben, ein besonderer Dank ausgesprochen.

Franz Rüther und Johannes Decker beim Aufhängen der ersten Geschichtstafel

Text: Ludwig Hoppe – Fotos: Franz-Josef Molitor

Die Mitglieder des AKO beim Aufhängen der Tafel an der Dinschscheder Knabenschule, v.l.: Johannes Decker, Klaus Schlotmann, Albert Schlupp, Klaus Schneider, Peter Schulte, Ludwig Hoppe, Franz Rüther, Franz-Josef Molitor und Gerhard Keßler. Es fehlen: Günther Rössiger, Heinrich Püttmann und Christoph Hüster.

Die Tafel an der Vogelstange beschreibt die „Alte Landstraße“

An der Grundstücksmauer am „Raulfschen Hof“ hängt diese Tafel, die den damaligen Zustand von „Raulfs Ufer“ beschreibt.

Am Freitag, dem 31. März wurde die vorerst letzte Hinweistafel aufgehängt. Anschließend hatte Johannes Decker die AKO-ler zu einem kleinen Umtrunk auf „Raulfs Hof“ eingeladen. Hoffen wir, dass wir für weitere Hinweistafeln Sponsoren finden, damit aus dieser tollen Idee mal ein „Oeventroper Geschichtspfad“ entstehen kann!

Diese Tafel weist auf die historische Bedeutung dieses Gebäudes an der Dinscheder Straße hin.

Text: Ludwig Hoppe

Fotos: Franz-Josef Molitor

Kreuzeinweihung am 5.11.2016 beim Almbauer in Glösingen – Franz-Josef Molitor, Ludwig Hoppe und Pastor Ernst Thomas

“Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“

25. November 2021

Konrad Wolff – Meine Lehrzeit als Elektroinstallateur in Oeventrop

Am Montag, den 02. April 1951, begann meine Lehrzeit bei meinem Lehrmeister Johann Kossmann, Kirchstraße Nr. 23 in Oeventrop. Er hatte seine Meisterprüfung als Schlossermeister in Berlin abgelegt und später noch in Arnsberg als Elektromeister seine Prüfung bestanden.

Am gleichen Tage wie ich begann auch „Kohlen Hansi“ seine Lehre bei Hubert Gebhard auf der Kirchstraße.

In der Nachkriegszeit waren Lehrstellen Mangelware. Da ich aber nur Interesse an einem technischen Beruf hatte, suchte mein Vater sehr lange, bis er in Oeventrop bei „Kossmanns Johänneken“ –wie mein Lehrmeister überall genannt wurde- endlich etwas für mich fand. Das Ganze hatte nur einen Haken! Ich wohnte mit noch 8 Geschwistern in Dreisborn, Oelinghauser Heide, auf einem Bauernhof. Morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit und abends wieder nach hause war nicht möglich. Deshalb war ich sehr froh, dass ich bei meinem Lehrmeister auch wohnen konnte.

Ich war erst 15 Jahre alt, und die Trennung von meinen Eltern fiel mir sehr schwer. Ich schlief von nun an in einem kleinen Dachzimmer ohne Waschbecken. Eine Toilette gab es im Treppenhaus eine Etage tiefer, eine Dusche gab es nicht. Waschen konnte ich mich morgens in einem kleinen Spülstein mit kaltem Wasser in der Werkstatt. Das war besonders im Winter kein Vergnügen.

Das Frühstück im Esszimmer bestand jeden Morgen um 07.00 Uhr aus einem halben Marmeladenbutter und die andere Hälfte mit Griebenschmalz. Wurst habe ich nie gesehen, ganz selten gab es mal einen Teller Milchsuppe. Eine Tasse mit „Spitzbohnenkaffee“ gab es aber auch. Danach ging es an die Arbeit.

Josef Berkenkopf arbeitete ebenfalls bei Kossmanns. Er machte sich ein halbes Jahr später selbständig. Als Geselle arbeitete noch Josef Schulte aus Freienohl bei uns.

Die tägliche Arbeitszeit war von 07.30 Uhr morgens bis 18.30 Uhr abends. Zum Mittagessen kam ich immer „nach hause“. Nach dem Abendessen hatte ich frei – es sei denn, ich musste mit in den großen Garten in der Wunne.

Einmal in der Woche hatten wir in der Sauerschule in Arnsberg Berufsschule bei Gewerbe-Oberlehrer Arnoldi bis 16.00 Uhr. Danach schnell mit dem Fahrrad nach Oeventrop, denn bis 18.30 Uhr musste ich wieder arbeiten.

Auch am Samstag wurde vormittags gearbeitet. Nach dem Mittagessen – es gab jeden Samstag Erbsensuppe von der dünnsten Sorte, nicht wie wir es heute gewohnt sind – kamen Werkstatt aufräumen, Straße fegen und Auto waschen. Wobei mir das Letzte immer gut gefiel, durfte ich doch das Auto –einen Opel P 4 Baujahr 1938- aus der Garage auf die Straße und anschließend wieder unfallfrei in die Garage fahren. Einen Führerschein hatte ich selbstverständlich noch nicht…

So gegen 15.00 Uhr hatte ich dann frei, und ich konnte mit dem Fahrrad nach Hause –nach Dreisborn- bis zum Montagmorgen.

Hatte ich etwas besonders gut gemacht oder Samstags länger im Garten mitgeholfen, gab es schon mal einen Kinobesuch spendiert! Erste Reihe vorn, „Rasierplatz“ genannt, für 80 Pfennig. Das Kino lag über der Oeventroper Brauerei und war über eine Außentreppe zu erreichen. Wenn ein guter Film gezeigt wurde, standen die Besucher in langer Schlange oft bis zum Kriegerehrenmal. Fernsehen gab es noch nicht.

Der erste Schwarz-Weiß-Fernseher in Oeventrop stand bei Wreden in der Wunne und im Gasthof Kossmann in Glösingen. Um überhaupt ein Bild zu sehen, wurden große Antennen auf dem Dach montiert. Die Umsetzer auf dem Küppel und in Dinschede kamen erst später.

Unter dem Kino war eine Kegelbahn. Die Kegel wurden von einem Kegeljungen von Hand wieder aufgestellt. Manchmal durfte ich auch aushelfen – für 50 Pfennig den Abend. Das Bier für die Kegler wurde bei Berens gegenüber gezapft und auf einem Tablett über die Straße zur Kegelbahn gebracht.

Taschengeld hatte ich selten, denn mein Arbeitslohn im ersten Lehrjahr betrug nach Abzug von Kost und Unterkunft gerade mal 50 Pfennig pro Woche. Im zweiten Lehrjahr gab es schon 3 DM pro Woche und im dritten Lehrjahr dann 5 DM pro Woche. Trinkgeld bei Kunden war selten – mal 10 Pfennig oder eine lose Zigarette aus der Packung. So lernte ich auch das Rauchen (mit 18 Jahren).

Unsere Hauptkunden waren die drei Oeventroper Stuhlfabriken. Auf der größten Stuhlfabrik, der Sauerländer, kannte ich mich bestens aus. Vom dortigen Elektromeister „Rismeiers Heini“ habe ich viel gelernt.

Zu Beginn meiner Lehre gab es in ganz Oeventrop noch 110 Volt. Erst 1952 wurde für alle (außer auf dem Lattenberg) von VEW auf 220 Volt umgeschaltet. Das gab viel Arbeit für uns. In jedem Haus mussten alle Glühbirnen ausgewechselt und vorhandene Bügeleisen oder Waffeleisen auf 220 Volt umgebaut werden. Ein normaler Haushalt hatte aber noch keine anderen elektrischen Küchengeräte. Staubsauger oder andere Motoren wurden von der Ankerwickelei Ernst Feldmann auf der Südstraße neu umgewickelt.

Die Straßenbeleuchtung bestand aus wenigen Leuchten. Auf der Kirchstraße und auf der Kreuzung B7/Kessler/Berens hingen drei schwere Gusseisenlampen. Zum Wechseln der Glühbirne wurde der Verkehr angehalten, die Lampe mit einer Kurbel heruntergedreht und anschließend wieder hoch gekurbelt.

Gerne erinnere ich mich an Arbeiten auf dem Rittergut Cosack in Wildshausen. Dort gab es mittags für die Handwerker immer ein Essen. In der Gesindestube – mit den anderen Arbeitern zusammen – ließen wir es uns schmecken, denn Hunger hatte ich immer.

Wenn im Sommer das Obst reifte, kam unsere Zeit. Zusammen mit gleichaltrigen Jungen von der Kirchstraße und dem Oemberg besuchten wir im Dunkeln den Kirschbaum von Schmidt´s Bauer oder den Birnbaum von Schültke´s Theo. Nur der große Sommerapfelbaum hinter dem Gasthof Stemann wurde streng bewacht. Das sollte aber kein Hindernis für uns sein, denn von der Schmiede Zacharias bis in Stemann´s Garten verlief ein großes Abwasserrohr. Durch einen Kontrollschacht in Kossmann´s Garage krochen wir öfter durch das Rohr bis zu dem Apfelbaum und bedienten uns heimlich. Gleich daneben war die alte Kegelbahn, auf der aber nicht mehr gekegelt wurde. Nur der Maler Herman Springborn hatte darin sein Atelier (?) und durfte uns nicht sehen.

Schlechte Erinnerung habe ich an Arbeiten im Gasthof Schürmann auf dem Lattenberg. Für eine Elektroarbeit musste ich Werkzeug und Material zusammenstellen und mit dem Fahrrad hinauf zum Lattenberg fahren. Oben angekommen, hatte ich leider die Gasmaskenbütte mit Gips vergessen. Mein Meister schickte mich wieder nach Oeventrop, um sie zu holen. So konnte ich an einem Tag den steilen Lattenberg zweimal hoch strampeln. Wie gerne hätte ich ein Fahrrad mit einer 21-Gang-Schaltung besessen – leider war die noch nicht erfunden.

Mein Lehrmeister war auch ein passionierter Jäger. In meiner Freizeit durfte ich öfter als Treiber mit auf die Treibjagd oder zum Hochsitze-Bauen in der Bauernjagd hinter dem Glösinger Handweiser. Stolz durfte ich dann den Opel P 4 den Herfweg hoch fahren. Der große Belgische Jagdhund, „Kossmann´s Brack“, saß dann immer in einer Kiste hinten auf dem Kofferträger.

Autos gab es nicht viele in Oeventrop. An einen BMW Dixi bei Schwer und einen großen „Wanderer“ von Schönerts auf dem Glashüttenweg erinnere ich mich noch. Der alte Holzvergaser-LKW von Mertins stand bei Schmidt´s Bauer in der Scheune. Er hatte als Treibstoff kleine Buchenholzklötzchen. Diese wurden in einem Kessel auf der Ladefläche verbrannt. Das dabei entstandene Gas, „Klötzchenbenzin“, trieb den LKW an, denn anderer Treibstoff war noch selten.

Die erste holzbefeuerte Miele-Waschmaschine durfte ich im Gasthof Becker in Dinschede anschließen. Sie war fest eingemauert. Über einer Feuerstelle war ein Kupferkessel, der –von einem Motor angetrieben- sich mal rechts, mal links drehend, die Wäsche säuberte.

Ganz in der Nähe war das Sägewerk Bohleber. Auf dem Gelände wurde später das „Haus Dinschede“ gebaut.

Wenige Oeventroper Geschäftsleute hatten ein Telefon. Es war an das Amt Freienohl angeschlossen. Die Vorwahl 02937 gab es noch nicht. Der Telefonapparat hatte keine Wählscheibe, dafür aber an der Seite eine Kurbel. Wurde diese betätigt, meldete sich das „Fräulein vom Amt“ in Freienohl und vermittelte von Hand den gewünschten Teilnehmer. Nach dem Gespräch wurde noch mal kurz gekurbelt, und das „Fräulein“ trennte die Gesprächsteilnehmer. Wie man die Kosten für das Telefonieren berechnete, weiß ich nicht.

Am 20. März 1954 bestand ich in Arnsberg meine Gesellenprüfung mit einem sehr guten Ergebnis. Ich war nun Geselle- doch das war auch alles. Arbeit als Elektroinstallateur gab es wenig. Es lohnte sich auch kaum, denn der Stundenlohn im ersten Gesellenjahr betrug gerade mal brutto 94 Pfennig. Deshalb fand ich eine neue Arbeit in Dortmund-Huckarde auf der Zeche Hansa als Elektriker unter Tage. Meine Werkstatt war 760 m unter Tage, die Zeche selbst beschäftigte 4.200 Bergleute.

Doch das ist eine andere Geschichte!

Aktuelles Wetter

Cookie Consent mit Real Cookie Banner